Ein Haus am Meer.

Haus am Meer
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Ein Haus am Meer.

Von Ste­phan Lamprecht.

Ute Frie­se, Grün­de­rin von Akti­on Kin­der­traum, fei­ert in die­sem Jahr einen run­den Geburts­tag. Grund genug, die lang­jäh­ri­ge Part­ne­rin und För­de­rin von »BREAKCHANCE« zu einem aus­führ­li­chen Inter­view ein­zu­la­den. Ste­phan Lam­precht sprach mit der sym­pa­thi­schen Han­no­ve­ra­ne­rin, die es sich zur Auf­ga­be gemacht hat, Kin­der-Her­zens­wün­sche zu erfüllen.

Lie­be Ute, eigent­lich gehört es sich ja nicht, über das Alter zu spre­chen, zumal bei Frau­en. Bei Dir müssen wir aber eine Aus­nah­me machen. Denn in die­sem Jahr steht schließ­lich ein beson­de­res Ereig­nis ins Haus… Ute Frie­se: Ja, rich­tig. Ich „nul­le“ die­ses Jahr. Ohne Par­ty, natürlich.

Wel­che Träume hat man denn noch mit 60? Ute Frie­se: Mein Traum ist es, irgend­wann ein­mal direkt am Meer zu leben! (lacht) Ein Haus direkt an der Nord­see. Ob ich die­sen Traum jemals umset­zen kann, weiß ich aller­dings nicht.

Okay, das ist möglicherweise noch Wunsch­den­ken. Viel­leicht kann Dir dabei ja jemand hel­fen. Du selbst bist ja ohne­hin eher Exper­tin für Kinderträume. Hat­test Du selbst als Kind einen spe­zi­el­len Traum? Einen gro­ßen Wunsch? Ute Frie­se: Spon­tan fällt mir da gera­de nichts ein. Ich woll­te immer mal nach Neu­see­land rei­sen. Die­sen Wunsch habe ich mir dann vor ein paar Jah­ren auch erfüllt!

War­um aus­ge­rech­net Neu­see­land? Ute Frie­se: Ich habe mal Geo­gra­fie stu­diert. Und Neu­see­land war für mich so eine »abge­schlos­se­ne Insel«. Ich hat­te viel Gutes darüber gehört. Für mich war das so ein Sehn­suchts­ort. Und der Traum hat dann auch gehal­ten, was ich mir von ihm ver­spro­chen hat­te. Ist halt nur lei­der sehr weit weg.

Ute Friese
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Im Nor­mal­fall erfüllst Du aller­dings eher ande­ren Men­schen Wünsche. Nicht Dir selbst. Wie ist es dazu gekom­men? Ute Frie­se: Das ist nun schon 23 Jah­re her. Als ich 1998 »Akti­on Kin­der­traum« gegründet habe, war ich selbst gera­de Mut­ter gewor­den. Unse­re Toch­ter hat­te einen Platz in der Krab­bel­grup­pe und ich hat­te dadurch vor­mit­tags etwas Zeit. Also habe ich überlegt, was ich machen könnte. Ich hat­te von einer Frau gehört, die eine Orga­ni­sa­ti­on in Österreich gründen woll­te, um Kin­der­wün­sche zu erfül­len. Und in Deutsch­land kann­te ich auch solch‘ eine Orga­ni­sa­ti­on, die aller­dings nur im Kölner Raum tätig war. Da dach­te ich: Das ist es! Da könnte ich mein Wis­sen ein­brin­gen, ich hat­te ja zuvor schon Öffentlichkeitsarbeit für gemeinnützige Orga­ni­sa­tio­nen geleis­tet. Und ein klei­nes Arbeits­zim­mer hat­te ich daheim auch. Damit ging es los, kran­ken Kin­dern Wünsche erfüllen, aber von Beginn an auch gesun­den Kin­dern, die sich viel­leicht in einer schwie­ri­gen Lebens­si­tua­ti­on befin­den. Die Idee war gebo­ren und ich hat­te ja nichts zu ver­lie­ren. Nun nach 23 Jah­ren haben wir schon über 3.000 Herzenswünsche erfüllt.

3.000 Wünsche! Das ist eine unglaub­li­che Zahl! Kannst Du Dich den­noch an den ers­ten Wunsch erin­nern? Ute Frie­se: Klar, denn die­ser ers­te Wunsch war auch gleich recht kom­pli­ziert. Man kann­te mich am Anfang ja noch gar nicht. Die Leu­te muss­ten zunächst Ver­trau­en zu mir fas­sen. Also habe ich zum Start in mei­ner Hei­mat Han­no­ver alle Krankenhäuser abge­klap­pert. So bin ich schließ­lich durch eine Psy­cho­lo­gin auf einen Jun­gen auf­merk­sam gewor­den, der bei der Geburt von sei­ner Mut­ter mit HIV infi­ziert wor­den ist. Aids war damals ein mit vie­len Tabus behaf­te­tes The­ma. Ich habe weder das Kind ken­nen gelernt, noch ken­ne ich sei­nen Namen. Das lief alles über die Psy­cho­lo­gin. Die­ser damals 13-jährige Jun­ge wünschte sich einen Com­pu­ter. Da habe ich dann die Elektrofachgeschäfte abte­le­fo­niert und beim drit­ten Anruf hat­te ich Erfolg. Am Ende hat uns der Geschäftsführer das Gerät sogar geschenkt, weil ihn das The­ma Aids so berührt hat. Das ist uns so nur beim ers­ten Mal passiert.

Aktion Kindertraum
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Du sagst mitt­ler­wei­le kon­se­quent »wir« und »uns«. Wie groß ist Dein Team inzwi­schen? Ute Frie­se: Mit mir sind wir hier in Han­no­ver sechs Per­so­nen. Hin­zu kom­men etli­che Ehren­amt­li­che. Allei­ne bin ich schon lan­ge nicht mehr. Eine enge Freun­din von mir deckt dar­über hin­aus vor allem den Ham­bur­ger Raum ab.

Dei­ne ers­te Wunscherfüllung hat bereits gezeigt, dass Lachen und Wei­nen bei solch‘ einer Akti­on sehr nah bei­ein­an­der lie­gen. Wie geht Ihr damit um? Ute Frie­se: Wir hat­ten erst vor kur­zem den Fall, dass ein Kind lei­der noch vor der Wunscherfüllung ver­stor­ben ist. Das ist tra­gisch. Wir können dann nur sagen: „Wir haben unser Bes­tes gege­ben!“ Und viel­leicht hat ja allein die­ses Wis­sen, dass es jeman­den gibt, der sich um die Erfüllung eines gro­ßen Her­zens­wun­sches bemüht, dem Kind noch eini­ge schöne Momen­te beschert. Sol­che Schick­sa­le holen einen immer wie­der auf den Boden der Tat­sa­chen zurück. Man wird sich wie­der bewusst, wie kost­bar Zeit ist.

Gibt es bei 3.000 Wünschen einen, der Dich selbst beson­ders beein­druckt hat? Ute Frie­se: Wir hat­ten mal ein Kind, das unbe­dingt nach New York woll­te, aber nicht flie­gen konn­te. Der Jun­ge hat­te einen elek­tri­schen Roll­stuhl und wur­de beatmet. Da haben wir das halt über Kreuz­fahrt­li­ni­en orga­ni­siert. Sehr kom­pli­ziert, aber es hat am Ende geklappt. Das war toll! Oder ich den­ke an den Jun­gen, der auf eine Trans­plan­ta­ti­on gewar­tet hat und unbe­dingt Otto Waal­kes tref­fen woll­te. Otto kam, aber die Ärz­te mein­ten an dem Mor­gen, der Jun­ge sei für einen Besuch viel zu schwach. Otto ging trotz­dem ins Zim­mer — und für den klei­nen Jun­gen war die Welt danach wie­der in Ord­nung. Der hat­te wie­der neu­en Mut gefasst und einen star­ken Lebens­wil­len ent­wi­ckelt. Zwei Wochen später kamen dann pas­sen­de Orga­ne. Selbst die Ärzte haben hin­ter­her gesagt: „Wenn das Tref­fen mit Otto nicht gewe­sen wäre, hätten wir den Jun­gen wohl nicht mehr über den Berg gekriegt!“

Haben sich die Wünsche der Kin­der im Lau­fe von 23 Jah­ren sehr verändert? Ute Frie­se: Es gab in unse­rer Geschich­te ein­mal einen gro­ßen Schnitt, das war »Hartz IV«. Da dreh­ten sich plötzlich vie­le Wünsche um Möbel für das Kin­der­zim­mer oder Klei­dung. Aber es blei­ben natürlich die Klas­si­ker: Rei­sen, Tref­fen mit Pro­mis oder eben Com­pu­ter. Wobei es jetzt eher ein Smart­phone oder Tablet ist.

Aktion Kindertraum
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Einen Pro­mi hast Du schon genannt: Otto. Nicht ganz so pro­mi­nent wie der Ost­frie­se ist Chris­toph Kel­ler­mann. Aber Du bist ihm und sei­ner Initia­ti­ve seit Jah­ren eng ver­bun­den. Was bedeu­tet Break­chan­ce für Dich? Ute Frie­se: Für mich ist das ein Para­de­bei­spiel für Inte­gra­ti­on und Inklu­si­on. Es ist bahn­bre­chend, was Chris­toph da auf die Bei­ne gestellt hat. Ich habe ja selbst schon häufig mit­er­lebt, wel­che Stra­pa­zen die Kin­der und Jugend­li­chen mit ihren Eltern auf sich neh­men, um zum Trai­ning kom­men zu können. Ein Kind ohne Einschränkung hätte ja eine viel größere Aus­wahl an Ver­ei­nen. Da ist es toll, dass es so etwas wie Break­chan­ce überhaupt gibt. Roll­stuhl­ten­nis gibt den Kin­dern so viel Selbst­ver­trau­en und ein neu­es Selbstwertgefühl. Dazu die­se gro­ße Lei­den­schaft, die­ses Enga­ge­ment der gesam­ten Fami­lie Kel­ler­mann. Da kann ich nur den Hut ziehen!

Wie fördert Akti­on Kin­der­traum die Break­chan­ce-Initia­ti­ve? Ute Frie­se: Im Prin­zip von Anfang an. Wir haben regelmäßig Trai­nings­stun­den gefördert und für eini­ge Kin­der sogar Ein­zel­stun­den. Wir haben auch meh­re­re Sportrollstühle orga­ni­siert. Zusam­men haben wir schon eini­ges auf die Bei­ne gestellt!

Nun dreht sich ja bei Break­chan­ce alles um Ten­nis. Wel­che Rol­le spielt die­ser Sport in Dei­nem Leben? Ute Frie­se: Ich habe selbst auch mal etwas Ten­nis gespielt. Aller­dings erst rela­tiv spät. Aber eini­ge unse­rer größten Events in der Geschich­te von Akti­on Kin­der­traum dreh­ten sich um Ten­nis. Dadurch habe ich Chris­toph Kel­ler­mann ja erst ken­nen­ge­lernt. Bei unse­rem ers­ten Ten­nis-Event woll­ten wir auch Roll­stuhl­ten­nis zei­gen. Da sind wir dann bei unse­rer Recher­che auf Chris­toph gesto­ßen. Er ist dann auch nach Han­no­ver gekom­men. Auch Stars wie Man­sour Bah­r­a­mi, Patrik Kühnen oder Klaus Mei­ne von den Scor­pi­ons waren mit dabei. Und natürlich Nico­las Kie­fer. Der ist nun schon vie­le Jah­re unser Bot­schaf­ter. Wir berei­ten gera­de die ach­te »Nico­las-Kie­fer-Cha­ri­ty« vor. Wobei wir mitt­ler­wei­le auf Golf umge­schwenkt sind. Nach vier tol­len und erfolg­rei­chen Ten­nis-Events muss­te ein­fach etwas Neu­es her, um das Publi­kum wei­ter­hin zu begeis­tern. Aber Ten­nis spielt für uns noch immer eine gro­ße Rolle.

Apro­pos Neu­es: Wie kann man Euch hel­fen, einen Wunsch zu erfüllen? Oder viel­leicht auch selbst einen Wunsch äußern? Ute Frie­se: Ein­fach Kon­takt zu uns auf­neh­men! Zum Bei­spiel über Social Media oder unse­re offi­zi­el­le Home­page unter aktion-kindertraum.de. Mund-zu-Mund-Pro­pa­gan­da ist uns auch immer sehr wich­tig, damit noch mehr Men­schen von uns erfahren.

Und wenn jemand ein Haus am Meer kennt oder hat, kann er sich mel­den? Ute Frie­se: Ja, genau! (lacht) Ich überlege schon, ob ich mich ein­fach ins Auto set­ze, zwei Stun­den an die Küste fah­re und ein­fach über den Deich gucke.

  Akti­on Kindertraum

 

Info: Ute Frie­se hat 2012 den »BREAKCHANCE«-Award für her­aus­ra­gen­des Enga­ge­ment im Sin­ne der Initia­ti­ve erhal­ten. Die­ser Award wird seit 2011 jähr­lich ver­ge­ben. Ers­ter Preis­trä­ger war der eins­ti­ge Davis-Cup-Sie­ger und Welt­klas­se­spie­ler Marc-Kevin Goell­ner, der als offi­zi­el­ler Bot­schaf­ter der »BREAKCHANCE«-Initiative unter­wegs ist.

 

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